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Upper Austria

Wüste Klassik [derStandard.at]

Wüste Klassik [derStandard.at]

Die Königliche ist eine Wüste. Zumindest optisch, wenn sie Desert im Namen trägt und sandfarben über die Landstraße rollt

„Der güldene Relief-Schriftzug auf dem Tank lässt Herzen höher schlagen“, sagt Harald. „Beschleunigte Entschleunigung“, sagt er. „Ich kann das nur sehr empfehlen“, sagt er. „Das kann echt was.“ Und er hat recht, wenn so spricht, über seine Royal Enfield. Eine schwarze Bullet, mit dem erhobenen Firmenlogo, das in der Sonne glänzt. Wie ein Wegweiser zeigt der Kickstarter auf das Logo. Und das ist gut so. Denn der Firmenname, der nimmt hier schon einiges vorweg. Damit es nicht zur großen Enttäuschung kommt. Damit die Freude überwiegt.

Royal Enfield, das steht für mehr als 100 Jahre Motorradbau. Die Marke gilt als älteste noch produzierende Motorradmarke der Welt. Auch wenn es in der Geschichte ein paar Hatscher gibt. Denn Royal Enfield ist schon lange nicht mehr so englisch wie bei der Gründung.

1955 baute Royal Enfield in Indien eine Fabrik auf. Ein inzwischen schon über 20 Jahre altes Motorrad soll dort gebaut werden. Die Bullet. Und damit ist das Wichtigste der Geschichte schon erzählt. Denn die heutige Bullet ist von der Ur-Bullet aus 1933 weniger weit weg als Indien von England. Aber gut, das wäre nicht einmal die Diesel-Bullet.
Gemütlicher Langhuber

Die Bullet ist heute noch ein leistungsschwacher Langhuber, der in ein Motorrad-Design der 1930er-Jahre verpackt ist. 20,3 kW – umgerechnet rund 27 PS – gibt Royal Enfield an, leistet der 500 Kubikzentimeter große Einzylinder der Bullet Classic Desert Storm, die sich heuer für die Saisoneröffnung anbot. Sie ist wunderschön, wenn auch ein wenig martialisch. Doch bei dem Motor, dem Fahrwerk und den Bremsen, da nehmen wir ihr das Kämpferische eh nicht ab.

Inzwischen hat die Bullet eine Benzineinspritzung, natürlich einen E-Starter und vorne eine Scheibenbremse. Letztere passt sich der Vorgabe des Fahrwerks an: Die beiden Gasdruck-Stoßdämpfer hinten und die 35 Millimeter dicke Gabel verlangen nach Gelassenheit statt Topspeed am Kurvenscheitel.
Kein Raser

Wer sich immer noch vor feuchten Flecken in Kurven fürchtet, vor Schotter oder Kälte, ist mit diesem Motorrad bestens bedient. Sie verleitet nicht zum Rasen, nicht dazu, das Letzte aus dem Gasgriff zu pressen. Auf ihr promeniert man von A nach B.

Wer auf der Desert Sturm sät, wird Angst ernten. Wer indisch in sich ruht, wird entspannt beim Wirten einreiten, ausgeglichen und gelassen – und trotzdem den ganzen 200-PS-Buck-dich-Boys mit den angeflexten Kniescheiteln die Show stehlen. Da erzählt man lässig die Episode, wie die Gruppe Radfahrer bergab innen vorbeigezogen ist, und sich bei der nächsten Bergauf-Passage so gegens Rücküberholen gewehrt hat, dass man ihnen den Triumph gelassen hat.
Mit eingebauter Vorfahrt

Während sich die Buck-dich-Partie gegenseitig mit Geschichten aufstachelt, wer wann wie übersehen wurde und nur durch den lauten Auspuff gerettet werden konnte, erzählt der Bullet-Fahrer von der freien Fahrt, weil ihm dauernd Hände die Vorfahrt zuwinken. Das muss es sein, was Harald mit beschleunigter Entschleunigung gemeint hat.

Und das Beste kommt da erst noch. Der Preis nämlich. Um 6.830 Euro gibt es die Royal Enfield Bullet Classic Desert Storm. Das ist im Vergleich zur 5.830 Euro teuren, normalen Bullet schon ein Vermögen. Dabei ist die Desert Storm jeden müden Cent wert. Außer man mag den Wüstenlook nicht. Dann greift man eben zu einer der anderen Bullet Classic, wie der Army Green oder der Chrome oder der Black, vielleicht sogar mit einem güldenen Relief-Schriftzug als Extra auf dem Tank. Weil dieser Herzen höher schlagen lässt. (Guido Gluschitsch, derStandard.at, 28.4.2015)

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